Böhm: "Mehr Sicherheit im Radverkehr - der Auftrag ans Rathaus ist bereits erteilt!"

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"Radwege und Radverkehr dürfen kein rechtsfreier Raum sein!"

Nach einem jetzt veröffentlichten Datenvergleich bundesdeutscher Großstädte ist Dresden trauriger Spitzenreiter bei schweren Unfällen von und mit Radfahrern. Der ADFC als Radfahrerlobby hatte die amtlichen Zahlen zwischen 2019 und 2021 ausgewertet.

Dazu ein Interview mit unserem Verkehrsexperten Veit Böhm:

1. Warum ist das Radfahren bei uns gefährlicher als in vergleichbaren Städten?

Diese Frage lässt sich eben nicht so einfach und sicher beantworten, weil es offensichtlich unterschiedliche Gründe gibt. In Dresden lassen sich aufgrund von sehr gründerzeitgeprägten Quartieren und Verkehrsführungen oftmals keine separaten Radverkehrsanlagen einrichten. Auto- und Wirtschaftsverkehr, Bus und Bahn sowie nicht zuletzt der Fußverkehr funktionieren dann schnell nicht mehr, siehe Könneritzstraße. Dort gibt es an verschiedenen Stellen aus Platzgründen bislang keine sinnvolle und sichere Führung für den Radverkehr.

Das Thema Konkurrenzsituation Parkplätze insbesondere für Anwohner ist auch ein großes Problem, weil das Rathaus eben keine Ersatzparkmöglichkeiten für die vorhandenen Autos einrichten möchte.

Leider ist es auch so, dass der Radverkehr an sich durch die hohen Geschwindigkeiten (Pedelecs, E-Bikes) erhebliches Gefahrenpotenzial darstellt und auch zunehmend rücksichtsloseres Verhalten festzustellen ist. Ein besonders schlechtes Beispiel ist der Umgang von Radfahrern und Fußgängern untereinander an schönen Sonn- und Feiertagen auf dem Elberadweg. Aber auch beim Autoverkehr wäre an Engstellen und bei Mischverkehren deutlich mehr Rücksichtnahme auf Radfahrer wünschenswert.

2. Die CDU-Fraktion hat das Thema schon länger auf der Agenda und ist bereits tätig geworden…

Man wirft uns ja immer gerne vor, dass wir eine Autofahrerpartei wären und nichts für Radfahrer tun würden. Wir würden noch gute Vorschläge verhindern. Das ist eine sehr einseitige Sicht, weil nicht jeder Dresdner Radfahren kann und will. Das eigene Auto ist für viele Dresdner und auch Pendler wichtig. Das wird auch auf lange Sicht so bleiben, weil ÖPNV und Radverkehr eben nicht für alle Belange funktionieren.

Nehmen wir nur mal die junge Familie mit zwei Kindern am Rand von Dresden. Ohne Autos lassen sich deren tägliche Wege überhaupt nicht sinnvoll bewältigen. Es gibt eben nicht nur die Innenstadtbewohner, die aufs Auto verzichten können.

Insoweit versuchen wir immer mit Maß und Mitte die Belange aller Verkehrsteilnehmer zu berücksichtigen. Dabei ist klar, dass aufgrund der starken Zunahme an Radverkehr da deutlich mehr gemacht werden muss. Ich selbst fahre neben Auto auch 8000 bis 10000 km mit meinen Fahrrädern im Jahr, hatte selber schon diverse Fahrradunfälle, die nicht immer glimpflich ausgegangen sind. Deswegen kann ich mich gut in die Wüsche und Forderungen von vielen Radfahrern und insbesondere Eltern hineinversetzen.

Wir haben in den letzten Jahren beobachtet, dass die Stadtverwaltung jede Woche mit neuen Ideen zum Radverkehr praktisch "lahm" gelegt wurde. Fast täglich liest man von neuen Initiativen, Petitionen und Anträgen, die sich mit mehr Sicherheit im Radverkehr beschäftigen. Allerdings haben die vorhandenen Radverkehrsplaner nur begrenzte Kapazitäten und auch die externe Vergabe ist schwierig, weshalb entweder bereits bestehende Beschlüsse abgearbeitet oder immer neue Ideen und Forderungen bearbeitet werden können. Beides zusammen funktioniert nicht.

Ich werde die "Phantomdiskussion" zu einer Radverkehrsbrücke am Hauptbahnhof im Zusammenhang mit der Sanierung Zwickauer Straße nicht vergessen, die ohne Ende Ressourcen im Rathaus gebunden hat.

Wir haben deshalb Anfang des Jahres einen Beschluss im Bauausschuss erwirkt, dass die Verwaltung sich insbesondere auf die tatsächlichen Unfallschwerpunkte konzentrieren und umgehend Abhilfe schaffen soll. Dieser wichtige Beschluss ist in den anderen aktuellpolitischen Themen etwas untergegangen, bindet aber die Verwaltung in ihrem Handeln. Nun schauen wir mal, wie der grüne Bürgermeister Stephan Kühn und sein Geschäftsbereich für mehr Sicherheit im Radverkehr sorgen werden, der Auftrag ist noch mal deutlich erteilt worden.

3. Das Rathaus ist also bereits beauftragt, allerdings gehen die Meinungen schon bei der Frage, wo wirklich Unfallschwerpunkte sind, auseinander. Wo muss wirklich dringend gehandelt werden?

Ja, es gibt immer die Diskussion zwischen "gefühlten" Verkehrsgefährdungen insbesondere im Mischverkehr und zwischen tatsächlichen Unfallschwerpunkten mit entsprechenden Häufungen. Klar haben wir Strecken, die man aufgrund fehlender Radverkehrsanlagen und hohem Verkehrsaufkommen eigentlich lieber meidet und sich beim Radeln nicht sehr wohl fühlt. Das ist ein Thema, aber wichtiger sind die wirklichen Gefahrenstellen, wo aus baulichen Gründen und wegen der Verkehrsführung tatsächlich Unfallhäufigkeiten auftreten, dort müssen wir umgehend handeln. Ich möchte hier keine bestimmte Gefahrenstelle herausgreifen, dafür gibt es die Unfallkommision. Es wäre allerdings hilfreich, wenn endlich der polizeiseits vorhandene Unfallatlas in den Themenstadtplan eingepflegt worden wäre und sich die Dresdner selber einen Überblick zu besonders gefährlichen Stellen machen könnten. Beschlossen hat der Stadtrat dies längst, nur mag Bürgermeister Kühn es nicht umsetzen.

4. Der ADFC als Radfahrerlobby hat einen Katalog mit Forderungen aufgemacht. Was ist aus unserer Sicht sinnvoll, um alle Verkehrsarten sinnvoll mit einzubinden?

Neben baulichen und verkehrsorganisatorischen Maßnahmen sind Prävention und mehr Kontrollen notwendig, um schnell deutlich sinkende Unfallzahlen zu erreichen. Wir haben dazu mehrere Anträge eingereicht und Initiativen unterstützt, die vom Stadtrat auch beschlossen wurden. Die Beschlusskontrollen zeigen regelmäßig die Untätigkeit der Stadtverwaltung in diesem Bereich auf. Erstes gutes Signal ist die gerade beschlossene Sicherheitspartnerschaft zwischen Stadt und Polizei beim Thema Radverkehr. Die daraus resultierenden Kontrollen müssen nicht nur verstetigt sondern deutlich ausgweitet werden. Es gehören beim Thema Prävention auch ADFC, ADAC und Fahrradhändler gemeinsam mit ins Boot. Radwege und Radverkehr dürfen kein rechtsfreier Raum sein.

Das Interview führte Fraktionsreferent Raik Bartnik.