"Der Klimaschutz muss in Dresden Chefsache werden!"
Berlin hält weiter am Ziel fest, bis 2045 klimaneutral zu werden, und nicht schon 2030. Ein entsprechender Volksentscheid am Sonntag scheiterte, da sich nur 30% der Berliner an der Abstimmung beteiligt hatten. Davon waren 51% für eine Klimaneutralität der Hauptstadt bis 2030, das erforderliche Quorum (Mindestzahl an Ja-Stimmen) wurde verfehlt.
Was wir daraus für Dresden ableiten können, dazu ein Interview mit unserem Umweltpolitiker Veit Böhm:
1. Ist die Thematik doch noch nicht so in den Köpfen angekommen, wie es nötig wäre? Wie blicken wir aus Dresden auf dieses Ergebnis?
In Dresden und Sachsen gibt es oftmals eine gewisse Skepsis hinsichtlich der Thematik an sich und auch eine durchaus berechtigte Sorge um den zukünftigen Wohlstand.
Wer praktisch denkt und handelt, hat aus seiner täglichen Arbeit heraus erhebliche Bedenken hinsichtlich Umsetzbarkeit und Nutzen bestimmter Maßnahmen. Konkret: Was soll man von einer aktuellen Bundespolitik der Grünen halten, die bei ihren ideologisierten Wunschvorstellungen die technische Umsetzbarkeit (Stichwort baldiges Verbot von Gas- und Ölheizungen vs. lange Lieferzeiten für Wärmepumpen und fehlende Leistungsfähigkeit der Stromnetze) ausblendet?
Gleiches gilt für die Diskussion zur Verkehrswende, bei der sich viele Bürger Sorgen um ihre zukünftige Mobilität machen. Nicht jeder kann alle Wege zu Fuß und mit dem Rad erledigen oder hat gute ÖPNV-Anbindungen.
Ich glaube, bei einem großen Teil der Dresdner spielt das Thema Klima- und Umweltschutz schon zunehmend eine größere Rolle. Allerdings will der Dresdner mitgenommen werden und möchte praktikable Lösungen, und die hinterfragt er auch gerne.
2. Wir als CDU-Fraktion haben gerade durch unseren im letzten Stadtrat beschlossenen Antrag für Bewegung bei der Erarbeitung eines aktualisierten Klimaschutzkonzeptes gesorgt. Hätten wir das nicht längst haben müssen?
Der Beschluss wird kurzfristig bei der Erarbeitung der Aktualisierung sicher nicht zu mehr Tempo führen, allerdings kann gemeinsam mit der Wirtschaft und den Bürgern die Umsetzung besser gelingen. Wir werden mehr Fokus auf das Machbare legen. Der Stadtrat hatte ja bereits Anfang 2020 eine Fortschreibung beschlossen, die allerdings vom Rathaus nicht umgesetzt wurde. Da wollte man vielleicht zu viel.
Nachdem nun Ende letzten Jahres die Klimaneutralität 2035/40 beschlossen wurde, war es an der Zeit, das Thema in die richtigen Bahnen zu lenken und nicht im Verwaltungszirkel voranzubringen. Aber es ist richtig, man hätte neben den Wirtschaftverbänden auch bereits viel eher die größeren Dresdner Unternehmen einbeziehen müssen.
3. Wir in Dresden wollen bis 2035/2040 klimaneutral sein. Welchen Schwierigkeiten müssen wir uns dabei stellen, und wie schaffen wir das?
Wir haben ja schon letzten Dezember bei der Stadtratsdebatte um die Petition von "Dresden Zero" unsere Skepsis hinsichtlich einer tatsächlichen Umsetzbarkeit bis 2035 dargelegt und wollten daher auch Szenarien bis 2040 und 2045. Der Kompromiss war dann bis 2040. Da liegen noch viele ungedeckte Schecks hinsichtlich der Ziellerreichung vor.
Wasserstofftechnologien wie "power to gas" und andere sind derzeit Insellösungen und noch lange nicht marktreif. Größte Herausforderung ist der Ausbau der Strominfrastruktur für Wärme und Verkehr, der in der gesamten Stadt erfolgen muss.
Und wir müssen den Bürger mitnehmen, nicht über Gebühr belasten und auch umsetzbare realistische Zukunftsvisionen darstellen. Sonst passiert das Gleiche wie in Berlin, wo fast 50 % der Wähler dagegen gestimmt haben.
Wie schaffen wir das? Wenn das Thema in Dresden zur Chefsache wird und sich Politik, Verwaltung und Wirtschaft gemeinsam auf den Weg machen und die Dresdner mitnehmen, sonst wird das nichts...
Das Interview führte Fraktionsreferent Raik Bartnik.