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Böhm: "DVB-Tempopläne sind erst der Anfang für Wiener Modell in Dresden!"

"Es reicht nicht, einfach eine Busspur abzumarkieren."

2,9 Millionen Euro mehr in der Kasse und ein deutliches Plus an Fahrgästen, das versprechen sich die DVB von einem kurzfristigen Programm zur Beschleunigung von Bussen und Bahnen auf insgesamt vier Linien. Dafür sollen u.a. separate Busspuren eingerichtet werden oder Parkplätze wegfallen.

Auf einer Diskussionsrunde mit unserer Fraktion haben die Verkehrsbetriebe ihre Pläne vorgestellt.

Dazu ein Interview mit unserem Verkehrspolitiker Veit Böhm:

1. Hat Sie die Präsentation überzeugt?

Nein, das hat sie leider nicht. Hier geht es darum, mehr Pünktlichkeit und Verbindungssicherheit (und damit wirtschaftliche Vorteile) auf Kosten aller anderen Verkehrsteilnehmer zu erzielen.

Ein leistungsfähiger und attraktiver ÖPNV ist auch für uns sehr wichtig. Allerdings müssen solche Konzepte auch auf soliden Füßen stehen. Wir brauchen zunächst Verkehrsraumuntersuchungen, in denen die Auswirkungen simuliert werden. Wenn die entsprechenden Daten das Programm positiv bestätigen, bin ich der letzte, der dem nicht zustimmen würde.

Positiv überrascht hat mich bei der Präsentation, dass bei den DVB das Thema Digitalisierung auf offene Ohren gestoßen ist.

2. Die DVB haben immer wieder den geringen Aufwand des Programms betont und von einem "Eimer Farbe" gesprochen ...

Die Verkehrsbetriebe haben bauliche Maßnahmen überhaupt nicht angesprochen. Die Beseitigung von Langsamfahrstellen beispielsweise ist ein sehr wichtiger Baustein zur Beschleunigung.

Und eben die Digitalisierung, die bessere Vernetzung der städtischen Infrastruktur mit dem ÖPNV spielt eine bedeutende Rolle, will man Busse und Bahnen nicht auf Kosten anderer schneller machen: intelligente Ampelschaltungen, Pförtnerampeln, Sortierung von Verkehrsflächen, Reisezeitprognosen usw.

Eher machbar wären aus meiner Sicht mobile Systeme an einzelnen Strecken, etwa an der Tolkewitzer Straße: ein Verkehrszählsystem oder Infotafeln.

Die DVB schätzen selbst ein, dass eine nennenswerte Digitalisierung wohl noch etwa 10 Jahre dauert und zwischen 30 und 60 Millionen Euro kostet.

3. Neben dem Bereich Tolkewitzer Straße/Schillerplatz sorgt vor allem die Strecke zwischen Altcotta und Flügelweg für Kontroversen. Warum?

Das ist ein komplexer Knotenpunkt, an dem es aktuell kein Potential gibt. Die Verkehrslage zeigt selbst in Spitzenzeiten keine übergroßen Stauerscheinungen.

Außerdem gibt es bereits seit den 90er Jahren Planungen zur baulichen Veränderung, die aber bis heute nicht realisiert sind. Wir haben Baurecht, und die Hochwassermaßnahmen sind auch umgesetzt. Die zuständigen grünen Bürgermeister verschanzen sind aber seit Jahren hinter immer wieder neuen Verkehrssimulationen, weil ihnen offenbar Rad- und Fußwegpläne nicht passen.

4. Sie haben gegenüber den DVB auch auf Park & Ride hingewiesen ...

Das Thema P+R wird immer wichtiger, das beobachte ich vor allem in Kaditz. Grundsätzlich hält es die Innenstadt von unnötigem Verkehr frei.

Gerade in den Außenbezirken ist die Flexibilität durch das Auto noch deutlich höher. Da wir selbst nicht genug Flächen haben, müssen wir auf die Umlandgemeinden zugehen und die dann neu entstehenden P+R-Flächen gut anbinden. Genau das wäre ein wichtiger Schritt für die von uns geforderte "Stadt der kurzen Wege".

Einen großen Nutzen hätte P+R (vor allem in der Nähe der Autobahnen) dann, wenn wieder Großkonzerte stattfinden.

5. Die DVB haben sich für mehr reale Verkehrsversuche anstatt -simulationen ausgesprochen. Warum stehen Sie dem kritisch gegenüber?

Wir hatten uns in der Vergangenheit auch für Verkehrsversuche ausgesprochen, die jedoch abgelehnt wurden: an der Albertstraße oder am Zelleschen Weg.

Außerdem bringen diese wenig, wenn wie jetzt die Situationen einfach nicht gegeben sind.

Und - ehrlich gesagt - habe ich auch wenig Vertrauen zum zuständigen Bürgermeister, dass diese dann auch rückgängig gemacht werden, wenn sie nicht erfolgreich waren.

6. Warum befürchten Sie, dass am Ende der Autofahrer die Verkehrswende in Dresden bezahlen muss?

Autofahrer leiden unter ständig steigenden Spritpreisen. Sie sollen beim Anwohnerparken noch mehr zur Kasse gebeten werden, und die Parkgebühren werden möglicherweise auch bald zur Finanzierung des ÖPNV herangezogen.

Auf der anderen Seite sehe ich durch solche Konzepte keine wirklichen Einsparungen und auch keinen Euro an Mehreinnahmen. Vielmehr ist dies nur der Anfang in Richtung Wiener Modell, also das beabsichtigte Ausbremsen des motorisierten Individualverkehrs durch negative Anreize. Sinnvoller wäre genau das entgegengesetzte Herangehen, nämlich positive Anreize für den ÖPNV zu schaffen.

Die ÖPNV-Finanzierung müssen wir ohnehin völlig neu denken. Die Querfinanzierung über die Sachsenenergie steht bei anhaltend hohen Energiepreisen in Frage. Es ist unklar, wie hoch die Gewinne dort künftig sein werden.

Das Gespräch mit Veit Böhm führte Fraktionsreferent Raik Bartnik.

© Bildquelle Grafik: DVB